Kriegergedächtniskapelle

Jeder, der in Havixbeck den Friedhof vom Parkplatz an der Schulstraße aus betreten will, wird seinen Blick unwillkürlich auf diese denkmalgeschützte Wegekapelle richten. Sie erinnert nicht nur an die Kriegsopfer, sondern auch an ihren Erbauer, Pfarrer Wilhelm Brockhausen (1870-1940), der von 1914 bis 1936 Pfarrer von St. Dionysius war und in der Gruft dieser Kapelle beigesetzt wurde.

Recht bald schon nach dem Ersten Weltkrieg muss es ihm ein Anliegen gewesen sein, für die gefallenen und vermissten Soldaten seiner Pfarrgemeinde eine Gedächtniskapelle zu errichten. Im August 1919 jedenfalls ließ er von dem in Havixbeck geborenen Bildhauer Heinrich Stiegemann, der zu der Zeit in Frankfurt lebte, ein Modell für eine Kriegergedächtniskapelle in Havixbeck erstellen. Zur Bauausführung kam es aber erst zwei Jahre später. 1921 wurde die Gedächtnisstätte nach Plänen des Architekten Karl Blattner aus Frankfurt/Main errichtet. Die Kapelle besteht aus einem kleinen Achteckbau auf einer quadratischen Grundfläche von fast 6x6m aus Sandsteinquadern mit vier langen und vier kurzen Seiten. Fünf Seiten sind zwischen den Säulen geöffnet. - Die beiden geöffneten Seiten, jeweils links und rechts vom Hauptzugang, sollten nach der ursprünglichen Bauzeichnung mit einer steinernen Balustrade verschlossen werden, wodurch die Kapelle einen geschlosseneren Eindruck erhalten hätte. Das ist allerdings nie ausgeführt worden. - Der Baukörper aus dem hiesigen Baumberger Sandstein mit dem abgeschleppten, kreuzbekrönten Zeltdach steht auf einem zweistufigen Sockel aus Ibbenbürener Sandstein, der auf einem Bruchsteinfundament ruht. Im Innern der Kapelle befindet sich an der Hinterwand ein Altar mit einem Kruzifix und zu beiden Seiten des Kreuzes Gedächtnistafeln aus schwarzem Marmor. Zunächst waren es nur drei Tafeln mit den Namen der Gefallenen und Vermissten des Ersten Weltkrieges (1914-1918). 1952 wurde die Kapelle renoviert und die Tafeln mit den Namen der gefallenen und vermissten Soldaten des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) hinzugefügt.

Die Bauausführung lag bei dem Havixbecker Bauunternehmen Gebrüder Markfort, das mit den Vorarbeiten am 19. Mai 1921 begonnen hatte. Die Steinlieferungen wurden von der Stein- und Bildhauerei Ludwig Reiberg aus Billerbeck ausgeführt. Der Bildhauer Anton Rüller (1864-1936) aus Münster, der im Auftrag der Firma Reiberg einen Entwurf für Ornament und Inschrift angefertigt hatte, schuf selbst die Christusfigur im Innern der Kapelle. Weitere Bauarbeiten wurden von den Havixbecker Firmen Heinrich Feldbrügge (Eisen- und Schmiedearbeiten), Johann Dirks (Zimmererarbeiten), Anton Friemersdorf (Klempnerarbeiten) und Friedrich Sudhues (Schreinerarbeiten) ausgeführt. Für die Errichtung der Kriegergedächtniskapelle waren von der Kirchengemeinde rund 50.000.- Mark aufgebracht worden.

Auf die historistische Gestaltung und Motivauswahl hat Pfarrer Brockhausen als Initiator und Auftraggeber der Gedächtnisstätte deutlich Einfluss genommen. Für den katholischen Priester Brockhausen hat die Grundform des Achtecks eine besondere Bedeutung: Das Oktogon ist in der Symbolik des Mittelalters das Zeichen der Vollendung des Alten und Neuen Testaments in der Auferstehung Christi. Deshalb haben auch so viele Taufkapellen und -brunnen eine oktogonale Form. So zeigt auch diese Kapelle ihre Verbundenheit zur Pfarrkirche, in der ebenfalls ein schlichter achteckiger, gotischer Taufstein aus Baumberger Sandstein steht, an dem die hier benannten Soldaten einst ihre Taufe empfangen hatten.

Dass diese Gedenkstätte ein sakraler Bau ist, ist nicht nur am Altar mit dem von Anton Rüller aus Baumberger Sandstein geschaffenen Kruzifix, sondern vielmehr noch an der bischöflichen Genehmigung vom 20. August 1921, zum Gedächtnis der gefallenen Krieger einmal im Jahr in der Kapelle die hl. Messe lesen zu dürfen. Auf eine Gedenkstätte für Verstorbene weist die Inschrift auf der Marmortafel in der Altarfront hin: Du hast ihn uns geliehen, o Herr, und er war unser Glück. Du hast ihn zurückgefordert, und wir geben ihn dir ohne Murren, aber das Herz voll Wehmut. (Hieronymus, 4./5. Jh.)

An den Wänden links und rechts des Kruzifixes und des Altars sind schwarze Marmortafeln mit den Namen der Gefallen und Vermissten angebracht. Über den Namen der gefallenen Soldaten steht In treuem Gedenken an die für das Vaterland gefallenen Helden der Pfarrgemeinde Havixbeck. Die Namenslisten werden stets ober- und unterhalb mit überwiegend christlichen Symbolen abgeschlossen.

Jedem Betrachter dieser Kapelle fällt sofort die lateinische Inschrift auf, die Pfarrer Brockhausen als Hexameter selbst verfasst hat: Invicti cecidere viri ne infausta viderent. („Unbesiegt fielen die Männer, damit sie nicht das Unheil sehen.“) Diese Inschrift deutet auf den stehenden Ausdruck „im Felde unbesiegt“ hin. Mit dem ersten Teilsatz „invicti cecidere viri“ wird ohne Zweifel die „Dolchstoßlegene“ aufgegriffen, die ja die Wirklichkeit der militärischen Niederlage verleugnete. Der zweite Teilsatz „ne infausta viderent“ erkennt und interpretiert die neu entstandene Weimarer Republik mit der ihr 1918/1919 vorausgegangen Novemberrevolution und sie begleitenden wirtschaftlichen und politischen Wirren als „Unheil“. Hier wird durchaus das geistige Milieu mit der deutschnationalen Gesinnung seiner Zeit, in dem diese Kriegergedächtniskapelle entstand, noch einmal deutlich.

Die Erinnerungspostkarte, die anlässlich der Einweihung der Kriegergedächtniskapelle am 18. September 1921 herausgegeben wurde, bestätigt dieses Gedankengut. Sie zeigt auf der linken Seite die Pfarrkirche St. Dionysius mit dem Pfarrhaus und auf der rechten Seite die neue Kriegergedächtniskapelle. Beide Bilder werden mit einem Spruchband verbunden, auf dem steht: Und wer den Tod im heiligen Kampfe fand, der ruht auch in fremder Erde im Vaterland.

Mit dem Auftreten der Friedensbewegung wurde seit Mitte der 1970er Jahre um die richtige Übersetzung, Auslegung und Deutung dieses Satzes gerungen. Deshalb wurde auf Anregung der Friedensinitiative Havixbeck die Hinweistafel entworfen und 2006 aufgestellt, um darauf hinzuweisen, dass die Kapelle heute nicht nur dem Gedenken an die Opfer beider Weltkriege, sondern darüber hinaus aller Opfer von Terror und Gewalt dient. (Friedhelm Brockhausen)